Dienstag, 30. August 2011

KILL BILL oder Wahrhaftiges Blut und wahrhaftige Vampire





Wie aus meinem Beitrag von 16.01.2011 unschwer zu erkennen ist, kann ich Vampir-Liebe à la Twilight nicht all zu viel abgewinnen. Die einzige, die meiner Meinung nach Vampir-Kitsch erträglich macht ist Anne Rice. Auf pubertierende Vampire kann ich getrost verzichten.
Vampire, die kein Blut trinken und in der Sonne glitzern gehören für mich per Definition nicht zu den Untoten. Gott weiß, ich habe versucht alles, was innerhalb dieses Twilight-Hypes entstanden ist zu umgehen. Und lange Zeit war ich erfolgreich, aber dann hat es mich doch erwischt: True Blood. Diese Vampire sind laut Definition Vampire: sie trinken Blut, haben Sex, sind verschlagen, haben Sex, schlafen bei Tag, haben Sex, reagieren allergisch auf Silber, haben Sex, verbrennen im Sonnenlicht, haben Sex und … ach ja … haben Sex.
Die Handlung ist schnell erzählt: Dank des synthetischen Blutes True Blood leben Vampire offiziell unter uns. Die gedankenlesende Kellnerin Sookie (Ausgesprochen SUKKI- warum man es dann nicht anders schreibt ist mir ein Rätsel) verliebt sich in den Vampir Bill und wird immer mehr in die Irrungen und Wirrungen der mystischen Welt hineingezogen.
Erfinder der Serie ist niemand Geringeres als Oscar-Preisträger Alan Ball, der mit seinen skurrilen Ideen fortlaufend beweist, warum HBO Pay TV ist. Ein Beispiel: Die Vampirin Lorena hält den Vampir Bill (auf diesen weinerlichen, melancholischen Verräter kommen wir später noch eingehender zu sprechen) in einem Hotelzimmer gefangen. Da sie seine Macherin ist, ist sie stärker als er, und er kann nicht flüchten. Als sie einen Moment abgelenkt ist, schnappt er sich den 52 Zoll Flachbildfernseher von der Wand und zieht ihn ihr über den Schädel. Stunden später ist sie wieder geheilt (schließlich ist sie Vampir) und nimmt zu dem Vorfall empört Stellung: „There’s no excuse for domestic violence."
Die Serie ist mehr eine Parabel auf die Schwarzen- und Homosexuellen-Bewegung im Süden der USA als Vampir-Kitsch. Die Vampire stellen „das Fremde", „das Andere" dar, mit dem die Menschen konfrontiert werden. In der Serie kann man nicht nur rassistisch gegenüber Schwarzen sein, sondern auch gegenüber Vampiren, Wandlern und Werwölfen (Zieh dich – endlich- warm an Jacob!!!!)
Nachdem ich die erste Staffel geschaut habe, habe ich für eine Uni-Arbeit begonnen das erste Buch zu lesen. Die Serie basiert auf der Buchreihe The Southern Vampire Mysteries, die bisher 11 von 13 geplanten Büchern umfasst. Der erste Teil erschien 2001 und Stephenie Meyer kann nicht leugnen, dass sie sich das ein oder anderen Detail von Charlaine Harris abgeschaut hat. Als da wären: Werwölfe sind heiß (Bei True Blood sind sie es wirklich!) und Vampire kalt, oder Vampire tragen Menschen huckepack und fliegen mit ihnen durch den Wald. Eine Staffel deckt mehr oder weniger einen Band ab und der Erste stimmt mit der Serie beinahe vollkommen überein. Immer wieder werden Passagen aus den Büchern wortwörtlich in der Serie übernommen. Die oft gestellte Frage inwieweit Buch und Serie konform gehen ist ab Staffel 2 schwer zu beantworten. Die übergreifenden Handlungsbögen der Bücher bleiben erhalten, aber Ball nimmt sich mehr und mehr Freiheiten heraus.
Aufgrund meines Vorwissens, war mir klar, dass Bücher und Serie zwei verschiedene Paar Schuhe sind, und bis in die 4. Staffel konnte ich gut damit leben. Es hat sowohl das Lesen als auch das Schauen spannend gemacht, da man immer wieder überrascht wurde. Ich verstehe sehr gut, dass Buch und Serie völlig unterschiedliche Medien sind und eine Adaption Änderungen unterzogen werden muss. Dies ist alleine schon wegen der Erzählperspektive der Romane nötig. In den Büchern ist die Protagonistin Sookie ein 1st person narrator. Alles was passiert erfahren wir durch ihre Augen. Dies ist in einer Serie- ohne permanente Voice Over wie in Dexter- nicht möglich. Stattdessen hat jede (Neben-) Figur ihren eigenen Handlungsstrang.

Die ersten drei Bücher habe ich auf Deutsch gelesen, da die Übersetzung der Titel noch sehr nahe am Original bleibt (Dead until Dark- Vorrübergehend tot; Living Dead in Dallas- Untot in Dallas; Club Dead- Club Dead), doch ab Band 4 habe ich mich geweigert die deutsche Übersetzung in die Hand zu nehmen. Ich will nicht in der Öffentlichkeit mit einem Buch mit dem Titel Der Vampir, der mich liebte erwischt werden. Zumal der Originaltitel Dead to the World lautet. Ich verstehe auch nicht wer mit dem Vampir der sie liebte gemeint ist: Bill (Schauder) oder Eric? Ab Band 4 merkt man, dass der Twilight Wahnsinn begann um sich zu greifen, denn von nun an haben alle Bände auf Deutsch so „tolle" Titel (Band 6: Ball der Vampire), obwohl die englischen Titel immer die Wörter Dead oder Undead enthalten.
Mittlerweile bin ich beim letzten Buch angelangt. Bis jetzt war es spannend, lustig, frustrierend, romantisch und skurril. Ich teile die allgemeine Meinung, dass der 4. Band der Beste ist- zumindest der Lustigste. Band 1 bis 5 kann ich nur empfehlen, aber ab Band 6 beginnt die Reihe zu schwächeln. Die folgenden 3 Bände haben nicht mehr den Witz, den die vorhergehenden haben und ich muss gestehen, wenn es nicht für eine Uni-Arbeit gewesen wäre, hätte ich ab Band 8 die Bücher zur Seite gelegt. Ich liebe Pam und Eric, aber ich will keine Geschichte lesen, in der die Protagonistin eine prämenstruale Zicke ist, die permanent kindisches, egoistisches, Damsel in Distress-Verhalten an den Tag legt. Sie hatte 8 Bücher Zeit erwachsen zu werden, aber anscheinend hat sie die Zeit anderwärtig genützt. Außerdem hat sie plötzlich diese ach so amerikanische Einstellung von überhöhter Moral, die ich als Europäer (Nein, ich werde das Wort NICHT gendern!) nicht nachvollziehen kann. Wie man sich vorstellen kann, habe ich die meiste Zeit beim Lesen des 8. Bandes damit verbracht das Buch (bzw. Sookie) alle paar Kapitel anzuschreien- bis dahin hatte ich das nur mit Bill getan. Aber es ist auch frustrierend, wenn sie 4 Bücher lang auf Eric böse ist, weil es nicht „nett" ist, und als er ihre dann sagt: „For centuries I haven’t been as happy as I’ve been with you," antwortet unsere ach so gute Sookie: „Go now, I need to sleep." Spätestens da kommt einem der Gedanke, dass Eric was Besseres verdient hat- mich zum Beispiel!
Kommen wir zum leidigen Thema: Vampir Bill. Haben sich die Buch- und Serienanhänger bisher zivilisiert verhalten, scheint seit der vierten Staffel der Krieg ausgebrochen zu sein. Der Grund ist Bill, oder genauer gesagt King Bill (ich kann nicht glauben, dass ich diese beiden Worte gemeinsam verwende…). Trennt sich Sookie am Ende des 3. Buches von ihrem ersten Liebhaber Bill Compton und ist dieser im 4. Band so gut wie nonexistent, trauert sie ihm in der Serie immer noch nach, und er wird in der 4. Staffel sogar König von Lousiana. Soweit so untgut. Wie unschwer zu erkennen ist, ist die Serie Pro-Bill, was wahrscheinlich zu einem großen Teil PR-technische Gründe hat, sind Sookie-Darstellerin Anna Paquin und Bill Darsteller Stephan Moyer doch verheiratet. Würde ich Bill mögen, und wäre ich romantisch veranlagt, würde ich es womöglich herzerwärmend finden… In den Büchern hat sich Bill bis zum 4. Schon recht unbeliebt gemacht: Er hat Sookie betrogen, hintergangen, sie vergewaltigt und beinahe getötet. Damit ist für mich eine Grenze überschritten, nach der ich die Figur nicht mehr leiden kann. Es ist mir herzlich egal, dass er „es nicht wollte", bei Vergewaltigung hört sich bei mir die Liebe auf. In der Serie ist diese Episode sehr verharmlost dargestellt, Bill saugt Sookie zwar fast leer, es kommt aber zu keinem sexuellen Übergriff. Bei allem was man in der Serie bis dahin zu sehen bekommen hat- von nackten Körpern, Leichen und allen nur vorstellbaren (und nicht vorstellbaren) Variationen davon- finde ich es enttäuschend diesen Vorfall zu Gunsten der Figur von Bill so herunter zu spielen. Es ist offensichtlich, dass die Schreiber versuchen Bill nicht den letzten Funken Liebenswürdigkeit zu rauben und es so lange wie möglich offen zu lassen, ob sein Rivale Eric gut oder böse ist. Leider finde ich, dass mittlerweile beide Figuren darunter leiden, und auch wenn ich nach wie vor Bücher und Serie als zwei verschiedene Dinge ansehe, und ich viele Ideen von Allan Ball spannender finde als jene von Charlaine Harris (der langsam aber sicher der Stoff auszugehen scheint), hat die Autorin die Dreiecksbeziehung zwischen Bill, Sookie und Eric besser gestaltet als es die Serie tut. In der dritten Staffel passiert schon das, was ich am 8. Band so sehr gehasst habe: Sookie verkommt zu einer weinerlichen, egoistischen Frau, die nicht weiß was sie will.
Ein weiterer Vorfall hat die Gemüter der Buchanhänger zusätzlich angeheizt: Die Entstellung der „almighty and infamous shower scene." Dass die vierte Staffel, die am meisten kritisierte werden wird, war vorauszusehen- ist Dead to the World wie gesagt bei weitem das Beliebteste der Reihe. Bei der allmächtigen Szene handelt es sich um jene, in der Sookie und Eric (der sein Gedächtnis verloren hat) in der Dusche das erste Mal miteinander schlafen. Auch wenn ich den Fandom um diese Szene nicht teile (bin kein Anhänger grafischer Sexszenen), war ich doch auch mehr als enttäuscht vom Serienergebnis. Hatte ich zuerst erwartet, dass es die Szene gar nicht geben wird (man fürchtet den Vergleich, wird es zwischen Sookie und Eric überhaupt soweit kommen?), war ich überrascht, als sich die Kellnerin und der Vampir auf einmal in der Dusche wieder finden. Was den Zuschauer dort erwartet, ist allerdings kein heißer Sex in dampfender Umgebung, sondern ein V-Trip à la Jason und Amy in der ersten Staffel. Spätestens als Sookie und Eric auf einer Lichtung stehen, wo es schneit und Sookie dümmlich fragt: „Why’s there a bed here?", schlägt das Gehirn unweigerlich Parallelen zu „Aber warum liegt hier Stroh?"
Dass Sookie in der Serie im Endeffekt wieder mit Bill zusammenkommen wird, ist offensichtlich und unausweichlich. Sollte ein fixes Ende der Serie im Vorhinein feststehen (und das hoffe ich, denn mit einem Cliffhanger am Ende kann ich nicht leben), werden wir uns wohl auf einen heldenhaften Tod von Eric (Er wird Sookie ein letztes Mal retten, und sie wird es ihm ein letztes Mal mit Verachtung danken.) und eine kitschige Hochzeit von Bill und Sookie einstellen müssen. Mein Tipp an alle, die die Serie lieben, aber auch keine Lust auf ein solches „happy End" haben: Lest die Bücher 1 bis 5 und lasst eurer Fantasie danach freien Lauf. Und schaut euch auf KEINEN Fall ein Bild von Charlaine Harris an- es zerstört jegliche Illusionen!