Samstag, 11. Mai 2013

Dead by public demand - Die tragische Woche eines TV Junkies

Es war einmal eine junge Frau, die nichts ahnend an einem Montagabend nach der Arbeit eine DVD einlegte, um sich einen entspannt, munteren Abend zu machen. Was sie nicht wusste war, dass dies der Beginn einen verheerenden Verkettung von televisionären Unglücksfällen diese Woche sein sollte… 

Gibt es etwas Besseres, als sich von einer Geschichte mitreißen, von ihren Figuren verzaubern zu lassen, und ein bisschen von einem selbst in ihnen widerzufinden? Auf dem Papier und der großen und kleinen Leinwand ist alles möglich: da gibt es Magie und Zauber, Vampire die glitzern, und es kommt schon einmal vor, dass man plötzlich mit einem Seriekienkiller sympathisiert oder sich überlegt, ob sich ein Meth Labor löhnen würde. All das ist großartig, aber als Mensch, der Fernsehserien als Eskapismus nutzt, ist das Leben beizeiten besonders hart. Diese Lektion musste ich letzte Woche wieder einmal lernen.

Da ich in Gefühlsdingen eher von germanischer (fast schon skandinavischer) Unterkühltheit bin, verblüfft es mich jedes Mal auf’s Neue, zu welchem Kaleidoskop an Gefühlen ich doch in der Lage bin, wenn meine Lieblingsserie mal nicht so will, wie ich. Trauer, Wut, Frustration, Ungläubigkeit, Enttäuschung, … die Liste wäre noch beliebig fortzusetzen. All das musste ich letzte Woche durchleben. Da fragt man sich schon, wieso man sich das denn antut, sollte Fernsehen doch in erster Linie der Unterhaltung dienen.

Eigentlich sollte ich mich nach all den Jahren damit abgefunden haben, dass meine Lieblingsfiguren prinzipiell das Zeitliche segnen. Ehrlich! Egal, ob in Büchern oder im TV – es ist immer dasselbe. Kaum habe ich eine Figur zu meinem Liebling erklärt, habe ich damit sein Todesurteil unterschrieben. Und doch will ich es jedes Mal auf’s Neue, wenn es passiert, nicht wahrhaben. Mein Verdrängungsmechanismus funktioniert eben ausgezeichnet. So gesehen hätte ich letzte Woche Dienstag frohlocken müssen, habe ich aber nicht. Aber gehen wir chronologisch vor:
An zu Beginn erwähntem Montag diese Woche, beschloss ich mir endlich die letzte Folge der 2. Staffel Dr Who anzusehen. (Ja, ich weiß, es gibt schon viele Staffeln mehr, aber irgendwo muss man schließlich anfangen) Die Folge vergeht spannend und mit dem üblichen skurrilen Witz, den ich an der Serie so schätze (abgesehen vom britischen Akzent). Und dann am Ende?! Da hofft man darauf, dass die Protagonisten einander endlich ihre Liebe gestehen, und dann das?! Mit Tränen in den Augen habe ich gleich mal meine Taschentuchbox nach dem Fernseher geworfen.
Der nächste Morgen war der 07.05.2013, der schon seit einem guten halben Jahr in meinem Kalender rot markiert ist: Das Erscheinen des letzten Sookie Stackhouse Novels, über das ich mich in vorhergehenden Blog-Eintrag ausführlich mokiert habe. Eigentlích müsste ich froh darüber sein, denn meine schlimmste Befürchtung war, dass meine beiden Lieblingsfiguren (Pam und Eric) ihren wahren, endgültigen Tod (sie sind Untote) erleiden würden, und das haben sie ja dann schlussendlich nicht getan. Niemals hätte ich mir gedacht, dass ich mir wünschen würde, es wäre so gewesen. So habe ich den Dienstag in Unglauben und Wut über SO ein Ende verbracht. Vor dem Einschlafen habe ich dann doch einen Silberstreif am Horizont erblickt: Egal welch Ende sich Alan Ball für die Serie True Blood  einfallen lässt, schlimmer als jenes der Buchvorlage kann es nicht werden.
Ich hoffte, Mittwoch würde die Woche besser machen, denn da stand der wöchentliche Fernsehabend mit einer lieben Freundin an. Unser momentanes „Projekt“ ist Downton Abbey. Nichts ahnend essen wir Popcorn, lauschen den edel gekleideten Damen und Herren in Staffel 3 der der BBC-Serie, und plötzlich stirbt sie: unsere Lieblingsfigur. Nach ein paar Sekunden ungläubiger Stille starren wir auf den Fernseher. Das kann Julian Fellows uns nicht antun! Der Schock weicht der Wut und ungeniert beschimpfen wir das bewegende Bild vor uns. Gott sei Dank ist mein Mitbewohner mittlerweile an solche Ausbrüche unsererseits gewöhnt (Sie hätten uns am Ende der 4. True Blood Staffel hören sollen…), sodass er es geflissentlich zu ignorieren weiß. Was als aufheiternder Abend gedacht gewesen ist, endet mit Missmutigkeit.
Donnerstag kann da ja nur besser werden… Den Ende des Feiertages wollte ich mit den letzten beiden Folgen der 3. Staffel The Wire begehen. Fataler Fehler! Schon nach den ersten 30 Minuten der vorletzten Folge schwant mir nichts Gutes, aber ich will es trotzdem nicht glauben, als meine Lieblingsfigur im Kugelhagel blutend zu Boden geht. Wenigstens hat er in der letzten Folge noch einen Auftritt: Als Leiche. Ja, er war einer der Drogenbosse, und in einer Serie, in der es um den Drogenkrieg in Baltimore geht, sollte man darauf gefasst, sein, dass einer der Bosse früher oder später ins Gras beißen wird. Aber ich hatte auf später gehofft.

Am Freitag beschließe ich, dass es mir für diese Woche mit Serien reicht. Und lasse mir ernstlich durch den Kopf gehen, dass ich mir vielleicht Gedanken darüber machen sollte, wen ich mir zur Lieblingsfigur erwähle. Eventuell sollte ich auch mal einen good guy in Betracht ziehen. Aber würden, sobald ich die guten Jungs zu meinen Lieblingsfiguren mache, auch diese bald den Serientod sterben? Ein interessantes Experiment… Schließlich haben Serienfolgen, in denen eine Figur stirbt oder heiratet die besten Quoten. Die Zuschauer verlangen also geradezu danach! Heißt dann, wenn man beides in einer Folge hat, dass die Quoten doppelt so hoch sind? Und wie verhält sich das bei Four weddings and a funderal?    

Ich weiß, es ist nur Fernsehen, und angeblich verdummt man dabei, aber ich bin dennoch der Auffassung „Fernsehen bildet“. Zumindest für mich funktioniert das. Sowohl mit Drogen-Ghetto Slang aus West Baltimore, als auch mit dem Jargon des britischen Landadel zu Beginn des 20. Jahrhunderts kann ich aufwarten – von medizinischen Fachbegriffen ganz zu schweigen. Zwar bezweifle ich, dass Wörter wie „fangraped“ im täglichen Sprachgebrauch von Nutzen sein können, aber ich hätte mir auch nie träumen lassen mit dem Wissen, was ein Chupacabra ist, auf der Uni punkten zu können. Zweifellos gibt es genug Schrott im TV, und oft genug schaltet man ein, um abzuschalten und sich berieseln zu lassen (passiv!). Aber manchmal geschieht es doch, dass man ganz nebenbei über sich selbst ein klein bisschen etwas lernt, und sei es nur, dass man zugeben muss, im Gunde seines Herzens doch jemand zu sein, der am Ende „… und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ lesen oder sehen will. Punkt.

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