Montag, 31. März 2014

Sunday in the Park without George



Sonntag, 12:01. Ich wanke gerade im Pyjama in die Küche, um die Kaffee-Maschine einzuschalten (ich bin noch im Winterzeit-Modus), da erreicht mich eine sms von einem lieben Kollegen: „Sherlock moderiert den Formel 1 Grand Prix in Malaysia.“ (aus Datenschutzgründen werden die Inhalte der sms nur sinn- und nicht wortgemäß widergegeben)
Ich bin in meinem Schlaf-Taumel etwas verwirrt und starre mal einige Sekunden auf das Display meines Handys, bis ich (eloquent wie ich bin) „WAS?“ zurücktippe. (Dies ist eine wortgetreue Widergabe).
Mein Kollege informiert mich, dass ich ORF 1 einschalten soll.
Naja, bis mein Receiver es geschafft hat, sich einzuschalten, war Herr Cumberbatchs Moderation natürlich schon vorbei. Als ich dann meinem lieben Kollegen geschrieben habe, Benny solle lieber an der neuen Sherlock-Staffel oder dem neuen Stars Wars drehen, anstatt bei einem Luft-verpestenden Motorsport Event teilzunehmen und uns warten zu lassen, kam die
Antwort: „Ich als Motorsportfan…“
Toll, da bin ich mit meinem vorlauten „Charme“  wieder in ein Fettnäpfchen getreten…

Auf die Frage hin wieso Herr Cumberbatch denn dort ist: keine Ahnung? Vielleicht, weil er Werbung für Jaguar macht… (Läuft bei mir etwas schief, weil ich beim Anschauen der Auto-Werbung mit ihm Lust auf Tee mit Milch bekommen habe? Und ich trinke nicht einmal Tee mit Milch… Der Jaguar war irgendwie Nebensache…)

Nachdem ich dann mein ausgiebiges Frühstück beendet habe, ist es 13:30.
Als ich mich frage, ob ich mich zumindest in Jogging-zu-Hause-gammel-Gewand werfen, oder mich gleich so an den PC setzen soll, weil es ja eh wurscht ist, da trifft mich doch tatsächlich ein Sonnenstrahl. Und so schnell kann ich es gar nicht begreifen, manifestieren sich in meinem Kopf die von der Gesellschaft eingetrichterten Gedanken: „Es ist so schönes Wetter, da kannst du nicht den ganzen Tag in der Wohnung sitzen!“ Natürlich argumentiert mein inneres Ich dagegen: „Ja, aber ich muss das Kapitel heute noch schreiben, und ich weiß nicht wie lange ich dafür brauchen werde, und…“
„Aber es ist sooooo schön draußen!“, kommt natürlich wieder.
„Aber das Kapitel schreibt sich nicht von selbst… aber….“ Da kommt mir ein anderer Gedanke: „Ich muss doch auch mein Lesepensum schaffen, und das könnte ich im Freien machen, und dann am Abend schreiben, und…“ Gedacht getan.
Also ziehe ich mir doch vorzeigbare Kleidung an und mache mich mit Buch, Stift, Block, Marker, Notes Markers (Ich habe keine Ahnung wie die offizielle deutsche Bezeichnung dafür lautet – je wir leben in einer von Anglizismen verseuchten Welt…), Decke und Wasserflasche auf den Weg zur Prater Hauptallee.

Hat man den etwas zwielichtigen Anfang am Praterstern erst einmal hinter sich gebracht (heute bin ich nur 3 Mal von Männern mit Migrationshintergrund angequatscht worden – sie lassen nach, oder es liegt daran, dass mein Zip-Sweater hochgeschlossen ist?), erschließt sich einem die sog. Prater-Hauptallee. Und geht man diese Allee ca. 20 Minuten entlang, gelangt man zur Jesuiten-Wiese. Das ist mein Ziel. 

Und auf dem Weg dorthin, bzw. dort eröffnet sich einem ein Potpourri an Menschen aller Alter und Klassen. Und diese Milieu-Studie möchte ich natürlich niemandem vorenthalten. Hier also ein kleiner Auszug an Erlebnissen an einem ganz normalen sonnigen Sonntag im März:

An diesen Temperaturen mag ich besonders, dass die Kleider-Vielfalt so groß ist: während die einen mit Daunen-Jacke bekleidet sind, tragen die anderen Träger Shirts und Hot Pants.

An den Bänken an der Allee entlang sitzen die unterschiedlichsten Typen: Auf einer Bank sitzen 2 Burschen (vom englischen Reiseführer in ihrer Hand nach zu schließen Touristen) in Hemden mit psychodelischem Blumenmuster und 70er-Jahre Kragen, daneben eine Familie (allesamt im Jogging Anzug) und eine Bank weiter eine alte Frau in einem rosé-farbenen Chanel-Kostüm, die Hermann Hesse liest. 

Ein Stück weiter sitzt eine ältere Frau, die ein Butterbrot isst, ebenfalls ein Kostüm trägt (das vermutlich halb so alt ist wie sie) und im Gesicht so weiß und übertrieben geschminkt ist, dass sie aussieht wie der Geist eines Renaissance-Freudenmädchens. 

Auf einmal werde ich aufgeschreckt von einem Geräusch, das klingt, als wäre jemand auf eine Quietschente getreten. Ich drehe mich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen ist, und stelle fest, dass ein Hund der Verursacher ist. Naja, „Hund“ kann man das nicht wirklich nennen… eher… was recht kleines Etwas halt… 

Apropos „Hund“: Zu meiner linken überholt mich ein Mann von etwa 2 m, der ein kleines Tier gassi führt, dass ihm bis zur Oberkante seines Knöchels reicht (das ist keine Übertreibung!). 

Allgemein muss man bei dem schönen Wetter sehr vorsichtig sein, dass man nicht überfahren wird – vor allem von diesen komischen Fahrrad-Kutschen-Dingern mit 4 Rädern, die man wie ein Tandem zu viert oder zu sechst fährt. 

Nachdem ich es geschafft habe die Allee zu überqueren, ohne von Motor-losen Gefährten getötet zu werden, kommt mir ein älterer Mann im Trainingsanzug entgegen. In der Hand hält er einen Stapel mit allen Tageszeitungen, die es wohl in Österreich gibt. 

Natürlich sind auch immerzu viele (Möchtegern) Jogger unterwegs. Dabei gefällt mir besonders, dass den Damen in engen Shorts gerne nachgestarrt wird, den Männern in knappen Laufhöschen eher nicht. Das hat auch einen Grund: Männer dieser Welt lasst euch das eine sagen: NIEMAND und ich wiederhole NIEMAND sieht in Laufhosen sexy aus! Auch nicht der Mann, der vor mir joggt, stehen bleibt, sich mit den Händen gegen den Erdboden reckt, um sich zu dehnen und… „Nicht hinsehen, einfach weitergehen, nicht hinsehen…“ 

Mittlerweile überquere ich eine Wiese. An den Wegesrändern sitzen immer wieder Leute, die verzweifelt versuchen auf den Displays ihrer Smartphones etwas zu erkennen. Manche versuchen mit der Hand die Sonne abzuschirmen, andere drehen sich weg und halten das Telefon so nahe vor das Gesicht, dass sie schon beinahe mit der Nase What’s appen könnten.  

Ein Mann und eine Frau gehen auf gleicher Höhe mit mir. Er niest einige Male hintereinander. Dann meint er: „Ich bin wohl allergisch gegen Luft.“ Seine Begleitung findet das in etwa so „lustig“ wie ich, also schenke ich ihr einen mitleidigen-Blick. Sie erwidert ihn und lächelt mir zu. 

Später kommen mir zwei Mädels entgegen. Die eine redet englisch und versucht mit ausholenden Gesten der anderen etwas zu erklären, „You know, she had that jumper, and…“ Die andere nickt und entgegnet, „Yes, you mean the… den g’streiften!“ Ihre englische Freundin starrt sie verwirrt an, nickt aber schließlich. Man kann sich auch ohne Wort verstehen – oder in diesem Fall mit den falschen. 

Ein junger Mann schläft auf einer Parkbank, an der ich vorbeigehe. Auf seinem Abdomen liegt ein eReader, dessen Bilschirmschoner eine Abbildung von Sir Arthur Conan Doyle ist, der mich hämisch anzugrinsen scheint, als wolle er sagen: „Denk daran, zu Hause wartet noch ein Kapitel auf dich!“ (Nicht, dass er wirklich grinst, ich habe noch keine Abbildung von ihm gesehen, auf der er auch nur lächelt – ich glaube, das war damals als „ernstzunehmender Autor“ nicht angesagt – aber im Gegensatz zu Beethoven sieht Artie doch wie ein netter Zeitgenosse aus…) 

Als ich es dann endlich auf die Jesuiten-Wiese geschafft habe, lasse ich mich unter einem Baum nieder und wälze mein Buch. Um mich herum tollen Kinder, spielen Menschen Volleyball, machen Turnübungen, trinken, lachen, machen Musik, … Früher oder später musste es natürlich so kommen und die Kinderfatzen treffen mich mit ihrem Ball. Ich bedenke sie mit einem wenn-Blicke-töten-könnten-Augenaufschlag, aber es lässt sie völlig kalt und sie entschuldigen sich nicht einmal. Unverschämte Jugend von heute!   

Nachdem ich brav gelesen habe und mich nur von den wahrlich beeindruckenden Turnübungen der zwei Mädels auf der anderen Seite des Baumen ein paar Mal ablenken habe lassen, trete ich Heimreise an. 

Als ich schon bei Madame Tussauds angekommen bin, stelle ich fest, dass ich nach wie vor keinerlei Wunsch verspüre es mir anzuschauen. Am Eingang vorbeigehend kommen mir dann zwei Pärchen entgegen von denen einer sagt: „Das in London war besser.“ Und der anderen: „Mir hat es in London schon nicht gefallen.“ Offensichtlich habe ich nichts versäumt.    

Kurz bevor ich in meine Richtung abbiege, spiele ich noch mit dem Gedanken, ob ich nicht vielleicht doch noch einen Sprung zum Billa am Praterstern schauen sollte, nur um das sonntägliche Prater-Erlebnis abzurunden, verwerfe den Gedanken aber gleich wieder. Man soll dann aufhören, wenn es am schönsten ist!

Am Weg zur Wohnung werde ich dann doch noch sechs Mal angequatscht und mir wird vier Mal in den Ausschnitt gestarrt– nun habe ich mich vom Zip-Sweater verabschiedet und trage T-Shirt. Die Welt ist wieder im Lot!  

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