Freitag, 15. März 2013

Les Misérables - Die elenden Nicht-Sänger

Ich hab geträumt vor langer Zeit, von einer Musical-Verfilmung mit einer Cast, die singen kann... Unter diesen Verfilmungen ist jene von Rent eine der wenigen Ausnahmen. Trotz aller Vorwarnungen meiner Theaterkollegen, mir den Film im Kino zu ersparen, musste ich wieder einmal beweisen, dass ich unbelehrbar bin, und mir meine eigene Meinung bilden muss.
Die erste Einstellung ist so, wie man sich monumentales Drama-Musical-Kino vorstellt: Hunderte von Gefangenen versuchen ein riesiges Schiff in eine Werft zu ziehen – Regen und Wind sind unerbittlich. Einer von ihnen ist Jean Valjean (Hugh Jackman), den sein Aufseher Javert (Russel Crowe) besonders gerne demütigt. Leider ist dies auch schon eine der wenigen Szenen gewesen, in der sich eine Kinoleinwand bezahlt macht. In den Gesangsszenen wird hauptsächlich mit Close-ups gearbeitet, welche die Zuschauer besonders nahe an der Geschichte der Figuren teilhaben lassen soll. Eine nette Idee, da man ja im Theater eher selten die Gelegenheit hat den Darstellern so nahem zu sein, aber ganz geht dieses Prinzip nicht auf. Vielleicht liegt es daran, dass Fantine (Anne Hathaway) und Co zwar wunderbar leiden, aber gesanglich einfach zu schwach sind. Man hört sofort, wer da unter den Darstellern vom Musical kommt und wer nicht. Samantha Barks macht ihre Sache als Eponine genauso eindrucksvoll wie beim 25-Jahre Jubiläum auf der Bühne. Aaron Tveit kann nicht nur schaupielerisch und optisch, sondern auch gesanglich vollends als Enjolras überzeugen. Eddie Redmayne ist als Maruis wahnsinnig knuffig und weint wunderbar herzzerreißend, leider stört mich sein übertriebenes Timbre, aber das ist Geschmackssache. Und eines muss man den Herrschaften aus englisch sprechenden Gefilden einfach lassen: Sie können Kinder casten! Gavroche und die kleine Cosette sind große Klasse! Helena Bonham Carter und Sacha Baron Cohen (hat man sie als Ehepaar gecastet, weil sie beide 3 Namen haben?) sind tolle Thénadiers, die wieder einmal ihr Feingefühl für Komik unter Beweis stellen. Aber seien wir ehrlich: Master of the House kann man gar nicht kaputt machen – dafür ist die Nummer viel zu gut geschrieben.
Das war es auch schon mit den Darstellern, die gesanglich mithalten können. Und diese sind leider nur die Nebenrollen… Damit zu den Hauptrollen: Für mich ist die Rolle der Cosette nach wie vor eine der langweiligsten im gesamten Musical. Amanda Seyfried macht es nicht besser. Sie bleibt genauso blass wie ihre Stimme. Russel Crowe: Um seine Figur zu zitieren: „I can’t believe my eyes.“ Besser gesagt: „I can’t believe my ears!“ Bei Stars möchte man sich die Ohren zuhalten. Wenn er in den unteren Lagen bleibt, ist es erträglich, aber der Rest… Außerdem sieht man ihm bei jedem Lied an, dass er gar nicht schauspielern kann (falls er denn das tatsächlich abgesehen von A beautiful mind kann sein dahingestellt), weil es so verkrampft mit dem Singen kämpft. Wer auch immer das verbrochen hat, diese Kultfigur des Musicals einen Darsteller spielen zu lassen, der nicht singen kann, den möchte ich treffen und mal die Meinung geigen! Nicht nur, dass der arme Russel bei jedem Lied völlig gequält wirkt, sondern er wird am Ende der langen Töne ausgefaded, bevor es noch einen Halbton tiefer geht. Kein Wunder, dass er am Ende keinen anderen Ausweg sieht, als sich von der Brücke zu stürzen.
Als Fantine spielt Anne Hathaway gut und gibt in I dreamed a dream wirklich alles, aber manchmal ist selbst das Beste nicht gut genug. Auch ihr fehlt jegliches Stimmvolumen um diesen Klassiker der Musicalsongs entsprechend interpretieren zu können.
Hugh Jackman: Ja, er ist ein total sympathischer Typ, alleine schon deswegen, weil er Australier ist und eine Frau hat, die nicht wie eine magersüchtige Irre aussieht, aber trotzdem! Er spielt gut und rettet sich den größten Teil des Filmes über gekonnt über diverse schwierige Passagen, aber Bring him home ist ihm einfach zu hoch. Als er dann die letzten Töne krächzt, fleht man die Leinwand an: „Bitte wechsle doch in die Kopfstimme!“ Leider hört er nicht auf einen. Auch hier ist es mir unverständlich wozu man jemanden castet, der das Titellied der Figur nicht singen kann.    
Was die Ausstattung betrifft, empfinde ich auch manches als fragwürdig. Die Huren und Bettler sind allesamt sehr dreckig und zerlumpt dargestellt – frei nach übertriebenem Bühnen Make-up. Ein Stilmittel, das gefallen kann, oder nicht, aber leider ist es nicht konsequent: Die Prostituierten sind ausgemergelt und blass, ihr Gesicht mit Schmutz und Pusteln übersäht, aber ihre Zähne sind strahlend weiß. Anscheinend waren alle beim Zahnarzt von Tom Cruise. Somit finde ich die Entscheidung Les Misérables den Oscar für das beste Make-up zu geben, noch weniger nachvollziehbar. Wenigstens ist man bei den Nahaufnahmen von Anne Hathaway beruhigt, denn sie wurde offensichtlich einfach gar nicht geschminkt, und da entdeckt man den einen oder anderen Pickel auf Stirn und Kinn.  
Die Barrikaden: DAS zentrale Motiv von Les Mis sind wohl die Barrikaden. Dann kommt es zur Revolution und man wartet auf eine monumentale Einstellung einer Masse, die auf den Barrikaden für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit einsteht und dann… Werfen Leute ihre Möbel aus dem Fenster (Das hat was von Knut. Nicht dem Eisbären, sondern dem letzten Tag des Weihnachtsfestes in Schweden, an dem laut IKEA Werbung die Weihnachtsbäume aus dem Fenster wirft.) und in einer kleinen Seitenstraße wird ein Barrikärchen errichtet, das von 10 Mann verteidigt wird. Im Gegensatz dazu ist das Schlussbild eine Barrikade, die der chinesischen Mauer Konkurrenz zu machen scheint, hinter der sich Tausende versammelt haben. ??!! Diese Verhältnisse entziehen sich meinem Verständnis.
Schade, dass man glaubt auf „Stars“ setzen zu müssen, um diese Geschichte verkaufen zu können und dabei auf das Wesentliche bei einem Musical – den Gesang – vergisst. Das „gelobte“ Konzept von Regisseur Tom Hooper, die Darsteller live vor der Kamera singen zu lassen, und nicht playback wie sonst üblich, ist ambitioniert, funktioniert aber nur bei denen, die Musicalerfahrung haben. Beim Rest wäre es besser gewesen im Tonstudio nachzuhelfen. Man kann sich damit tröstet, dass dieses Mal kein James Bond mit dabei ist (obwohl, so eine Strophe von Daniel Craig würde sicher zur Auflockerung beitragen) Alles in allem: Ein Film, den man sich als Musical-Fan ansehen sollte, um mitreden zu können, nach Hause zu fahren, sich dort die DVD einer konzertanten Aufführung anzusehen, oder die CD anzuhören, und zu wissen, dass man sich den Kauf der DVD musikalisch gesehen schenken kann.

Montag, 11. März 2013

Tatort Rambo Mickey Mouse

Superntural und Dexter laufen nach 23 Uhr und Game of Thrones wird bis zur Unkenntlichkeit geschnitten, nur um keinen Sex und keine Gewalt zu zeigen, und dann wird beim neuen Tatort mit Til Schweiger damit geprahlt, dass in den ersten 3 Minuten 3 Leute sterben. Und tatsächlich beginnt die Folge mit recht viel Blutvergießen. Dann sehen wir noch das Blutbad einer Prostituierten, die Suizid verübt hat. Aber beim Kulturgut Tatort ist das um 20:15 anscheinend okay.
Til ist der Draufgänger-Bulle, der in einer neunen Stadt (Hamburg) anfängt und der immerzu aus der Reihe tanzt, weil er so supergut ist. Sein ersten Fall dreht sich im einen Mädchenhändler-Ring, in den sein ehemaliger Partner (der einen Chuck-Norris-Bart hat, der eben NUR bei Chuck Norris cool aussieht! Bei ihm sieht es eher nach den Dalntons aus.) verwickelt zu sein scheint. Er hat nicht nur mit seinen Vorgesetzen ein Problem, sondern auch damit seiner 15-jährigen Tochter das perfekte Frühstücksei zuzubereiten. Diese wird von Tils Tochter Luna gespielt. Anscheinend macht er jetzt bei all seinen Filmen einen auf Nicht ohne meine Tochter.
Hier einige Beispiele, wie man sich einen Tatort mit dem Superbullen vorzustellen hat: Bulle Till läuft zu Fuß einem schwarzen Lieferwagen (Serial Killer Van – wie originell!) nach und öffnet die Tür zum fahrenden Auto, stürzt sich hinein, eliminiert den Bösewicht und rettet die Damsel in Distress. Also bitte… Abgesehen von diesem Klischee hätten wir noch die „unheimliche Parkgarage“ und „die Kollegin mit den fettigen Haaren und der Brille, die im Endeffekt mal heiß werden wird.“
Vielleicht würde ich Til die harter Kerl-Nummer abkaufen, wenn er keine Mickey-Mouse-Stimme hätte, aber so… Ich werde eine Petition für eine Synchronisation von Til Schweiger aufsetzen!
Der harte Bulle Til hat immerzu irgendwelche Kratzer im Gesicht. Nur leider in einer Szene auf der rechten Seite der Stirn und in der nächsten auf der linken.
Seine ehemalige Kollegin (natürlich eine Verflossene) trägt zur Tarnung eine Sonnenbrille, die so groß ist, dass es mehr als auffällig ist. Das ist keine Tarnung, sondern schreit: „Ich versuche mich zu tarnen!“, oder, „Mein Mann hat mir ein blaues Auge verpasst!“
Ein kleines Beispiel für die Logik dieses Tatort: Til wird niedergeschlagen und sobald er am Boden liegt, gibt man ihm eine Ohrfeige und ruft: „Komm schon, wach auf!“ ??!! Dann wird der Arme mit dem linken Handgelenk angekettet. – Schnitt – Er sitzt am Gang und die Handschellen baumeln von seiner rechten Hand. Da hatte man wohl dieselbe Continuity wie bei Twilight engagiert.
Wenigstens ist die Elbphilharmonie in Hamburg einmal zu etwas gut: nämlich als Kulisse. Dieses Bauwerk sollte ja seit einer halben Ewigkeit fertig sein, hat die Baukosten um ein Vielfaches überstiegen und fertig ist es noch immer nicht. Na wenigstens kann man es als Filmkulisse gebrauchen. Wahrscheinlich haben sie auch ein bissi ein Körberlgeld bekommen, damit sie weiterbauen können. In der nächsten Folge werden sie vermutlich am unfertigen Flughafen Berlin drehen.
Dann erfolgt der Zugriff bei Nacht auf das Versteck der Mädchen – es ist beinahe so spannend wie bei Zero Dark Thirty. Bei der Schießerei ist der Rauch der MGs digital eingefügt – peinlich! Als Til erfährt, wo sich die Mädchen aufhalten, muss er da natürlich im Alleingang hin – ein richtiger Lonesome Rager, halt…
Am Ende kommt er mit den befreiten Mädchen in Zeitlupe aus dem  Haus, und alle fallen sich in die Arme. Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan.
Alles in allem ein Tatort, der versucht auf coolen amerikanischen Action-Film zu machen, es aber einfach nicht ist. Schade, dass gerade dieser Top-Einschaltquoten hatte. Gut, dass Til jedes Jahr nur einen Tatort drehen will.  
So hat Til wieder einmal die Welt gerettet, und mit dem weichen Ei hat es am Schluss auch geklappt.  

Mittwoch, 6. März 2013

Der Penisjäger - Die Suche nach dem besten Stück

Da man im Fieberwahn nicht sonderlich aufnahmefähig ist (Ich will hier keine Pauschalaussagen treffen, keine Ahnung wie es Ihnen mit 39 Grad Celsius geht, aber mir geht’s nicht so gut…), habe ich die letzte Woche mit RTL 2 Assi-TV verbracht. Um dem entgegen zu wirken, habe ich mir am Montag Abend gedacht, „Wie wäre es mit Kultur und Information?“, und so habe ich mal ORF III eingeschalten. Und dort lief dann eine Dokumentation, nach der ich mich nun wahrlich kulturell informiert fühle: Der Penisjäger, oder wie der Originaltitel lautet: The Final Member.
Der Film erzählt die Geschichte des Isländers Sigurdur Hjartarson der das weltweit einzige Phallus-Museum gegründet und bis 2011 geleitet hat. Ja, auf so etwas können nur Isländer kommen! Angefangen hat alles damit, dass ihm ein Kollege (er war Direktor einer Schule) bei einer Schulfeier einen Stierpenis als Spaß geschenkt hat. Diese Art von Humor ist mir zwar fremd, aber vielleicht ist das unter Männern so üblich – was weiß ich. Dies war der Beginn seiner Sammellust, und bis 2011 hat er Tausende Exemplare von tierischen Penissen zusammengetragen, und als es seiner Frau zu Hause zu bunt geworden ist, haben sie und seine Freunde ihn dazu überredet ein Museum daraus zu machen. Seither kann man in Island das Phallusmuseum besuchen und sich dort kleine (das kleinste Exemplar ist der Penisknochen eines Hamsters mit ca. 2 mm) und große (das größte Ausstellungsstück stammt von einem Blauwal) „Dinger“ ansehen.
Soweit so gut. Allerdings gibt es ein Problem: ein Stück fehlt Sigurdur noch in seiner Sammlung, und zwar der Phallus des Homo Sapiens. Unter den tausenden Exponaten befindet sich kein menschlicher Penis. Wie soll diesem Umstand Abhilfe geschafft werden? Über die Medien erfährt ein (in Island) berühmter Abenteurer davon und erklärt sich bereit nach seinem Tod seinen Pinsel dem Museum zu spenden. Dies sollte nicht all zu lange dauern, denn immerhin ist der Gute schon stramme 93 Jahre alt. Aber er ist nicht der einzige Interessent. Über das Internet erfährt der durchgeknallte US Amerikaner Tom Mitchell davon, und sieht darin sofort seinen Kindheitstraum erfüllt. Dieser war nämlich der Wunsch, dass sein Penis, der berühmteste auf der ganzen Welt wird. Was für eine Kindheit der Mann gehabt hat, will ich bei Gott nicht wissen!  Tom nimmt also mit Siggi Kontakt auf, und überschreibt diesem nach seinem Tod auch seinen Penis. Und dieser Penis ist etwas wahrlich Besonderes, denn er hat den Namen Elmo. Warum und wieso ihm seine erste ExFrau ihm diesen Namen gegeben hat wissen wird nicht – und wollen es auch nicht wissen. Siggi erzählt Tom aber auch vom isländischen Abenteurer, dessen Chancen vor Tom abzutreten (Tom ist Mitte 50), wesentlich besser stehen. Dies ist für Tom beinahe ein Weltuntergang, denn wenn nun der isländische Schwengel vor Toms im Museum ausgestellt wird, dann ist dessen kleiner Freund bekannter als sein Elmo. Nachdem Tom Siggi mehrere Fotos von Elmo in diversen Verkleidungen und zu diversen Anlässen (Elmo als Abraham Lincoln, Elmo als Wikinger, …) geschickt hat, und sich Siggi langsam fragt, ob denn mit Tom alles in Ordnung sei, fällt Tom einen Entschluss: Er macht sich zuerst auf den Weg in ein Tattoo-Studio und lässt sich dort Stars and Stripes auf die Eichel tätowieren, und danach macht er sich einen Termin mit einer renommierten plastischen Chirurgin aus, denn er möchte sich seinen Penis noch vor seinem Tod entfernen lassen, damit er als erstes in Siggis Museum ausgestellt werden kann. Tom steckt all seine Energie in Elmos Aufstieg und designt einen Schaukasten, in dem er dann ausgestellt werden soll. Er setzt sich mit italienischen Wissenschaftlern, die auf dem Gebiet der Plastik Konservierung forschen, in Verbindung, und möchte, dass diese sofort nach Abtrennen von Elmo vor Ort sind, um diesen in seiner ganzen erigierten Größe präparieren zu können. Nach dem Tod schrumpft dieses Organ nämlich, und das will der liebe Tom auf keinen Fall. Soweit käme es noch, dass sich ein US amerikanischer Penis zusammenzieht! Weiters hat Tom eine gute Idee für das Marketing: Man könnte im Penismuseum doch Comics verkaufen: Die unglaublichen Abenteuer von Elmo. Das Cover ziert ein Penis samt Hoden in einen Umhang gekleidet.
Tom macht sich also auf nach San Francisco, um sich dort mit der Ärztin zu treffen. Auf ihre Frage hin, wieso zum Teufel sie ihm einen gesunden Penis abschneiden soll, erfindet er eine Geschichte über einen früheren Hodenbruch. Natürlich kommt die liebe Frau Doktor Tom auf die Schliche und lehnt den Eingriff ab.
Wieder zurück zu Hause, bekommt Tom erneut schlechte Nachrichten: Siggi ruft an, um ihm mitzuteilen, das der isländische Abenteurer gestorben sei, und er nun schon sein Exemplar eines Penis des Homo Sapiens hätte. Tom ist am Boden zerstört. Oder, um es mit den Wort einer „Mitten im Leben“ – Hartz 4 Empfängerin zu sagen: „Er ist lateinisch am Ende.“ Dennoch versichert er uns glaubhaft, dass er weiterhin daran arbeiten wird, dass Elmo doch noch der berühmteste Penis der Welt wird. Ich drücke ihm dabei die Daumen, schließlich soll man seine Kindheitsträume nicht aufgeben.
Und, hat ORF III seinen Auftrag von „Kunst und Information“ nun erfüllt? Ja. Diese Doku hat mich nicht nur darüber informiert, welche literarische Erscheinung ich in den kommenden Jahren nicht versäumen darf (Die unglaublichen Abenteuer von Elmo), sondern welchen kulturellen Hotspot (Das Phallusmuseum) ich in Island auf keinen Fall versäumen darf, sollte ich mal  in das falsche Flugzeug steigen, und in Island landen.  

Dienstag, 5. März 2013

Onkel Oscar und ich

Das alljährlich Highlight für alle Filmfans: Die Oscar-Nacht! (Zumindest bei uns Nacht, denn in Australien kann man sich die Verleihung gemütlich am Nachmittag bei Kaffee und Kuchen anschauen. Bei uns empfiehlt es sich dann eher nur Kaffee zu sich zu nehmen – und davon viel. Egal wie oder wo man die Oscar-Nacht verbracht hat, hier mein Exklusivbericht (der aufgrund der krankheitsbedingten Verzögerung bei weitem nicht mehr so exklusiv ist…):

Eine Sache beschäftigt mich ja jedes Jahr: Der Name „Oscar“. Diese Geschichte, dass der Oscar seinen Namen daher hat, weil eine Sekretärin angeblich irgendwann mal gesagt haben soll: „Der sieht aus wie mein Onkel Oscar!“, ist nicht nur ausgemachter Schwachsinn, sondern wirft auch die Frage auf: Wie bitte sieht Onkel Oscar aus?! Die Statue an sich hat ja keinerlei Gesichtskonturen. Will man da irgendjemanden wieder erkennen? Wahrscheinlich hat ihr Onkel auch eine Glatze, aber das trifft auch Ghandi auch zu…

Zu Beginn ein paar kleine Impressionen vom roten Teppich:
Heuer nennt sich der Austragungsort nicht mehr „Kodak Theatre“, sondern „Dolby Theatre“. Wer weiß, vielleicht befinden wir uns nächstes Jahr im „Apple Theatre“, oder im „Google Theatre“. Ich finde ja nach wie vor, mal sollte die Oscar-Verleihung im Einkaufzentrum nebenan abhalten, denn das ist mit den überdimensionalen Elefanten-Statuen das beeindruckenste Gebäude am Hollywood Boulevard.
Einer der ersten berühmten Menschen, den ich am roten Teppich erblicke, ist Daniel „Potter“ Radcliff. Und sogleich frage ich mich: Was macht der hier? Möchte er wieder nackt mit einem Pferd um die Wetter reiten? Aber als ich die nächste Berühmtheit sehe, nehme ich alles wieder zurück, und frage nun hier: Was macht die hier?! Mein Twilight Liebling Kristen Steward. Vielleicht hat sie eine ihrer dutzenden Himbeeren mitgenommen und hofft, dass sie ihr jemand gegen einen Oscar tauscht?
Welcher irre Fernsehproduzent hat sich überlegt, Kristin Chenoweth als Moderatorin am Red Carpet arbeiten zu lassen? Wer auch immer es war, er ist bestimmt taub! Die 1,5Meter kleine Kristin (Und ich als Mensch unter 1,6, darf so etwas schreiben!) ist nur in ihrer Paraderolle als Glinda in Wicked erträglich. Ansonsten sollte sie nur über Zeichensprache kommunizieren und Stummfilme mit lauter Musikuntermalung drehen. Okay, bei Pushing Daysies geht’s auch noch, aber nur in der deutschen Synchronisation!  
Jennifer Aniston erklärt uns was sie zum Frühstück hatte (interessant…) und Halle Berry stolziert mit einen Kleid umher, das aussieht, als wäre es nach einem Storyboard für Argo entworfen worden. Und die nächste Jen: Jennifer Garner beweist, dass man zu den Oscars kein Kleid braucht, in dem man sich bewegen, geschweige denn gehen, kann.
Das schlimmste Kleid des Abends hat meiner Meinung nach Anne Hathaway: In ihrem Nippelgate-Kleid zieht sie ungewollt alle Blicke auf sie bzw. ihre Brustwarzen. Ob Frau Hathaway kalt ist? Gleich darauf folgt Jamie Foxx mit Glitzer-Schleife. Sehr… 80er Jahre?! Und da kommt Renee ich-kann-vor-lauter-Botox-keinen-Gesichtsmusekl-mehr-bewegen-Zellweger.
Um hervorzuheben, wie fundiert meine Kleider-Kritik ist, möchte ich darauf hinweisen, dass ich bis vor 2 Wochen noch der Überzeugung war, Elie Saab sei eine Frau…

Komiker Seth McFarlane moderiert heuer die Show, und im Vorhinein wurden die amerikanischen Zuseher von diversen Fernsehanstalten schon dazu aufgerufen sich mit Ohropax zu versorgen, denn McFarlane ist für seine Witze auf tiefem Niveau bekannt. Dies gehört auch zur Oscar-Panikmache dazu, denn es glaubt doch wohl niemand, dass McFarlane auch nur einen Witz verwenden würde, der nicht vorher von 100 Stellen abgesegnet worden ist?! Außerdem wird die Show ja mit Zeitverzögerung übertragen, damit nicht womöglich ein Laudator eine „ehrliche Meinung“ oder gar „Kritik“ äußern könnte. Soweit kommt es mit der Redefreiheit vielleicht noch!!!
Seth McFarlane macht also einen soliden Job as Moderator (Mein Highlight ist Flight nachgestellt mit Sockenpuppen http://www.youtube.com/watch?v=kYXrIV4rF14 ). Daniel Radcliff (somit wäre die Frage nach seiner Anwesenheit geklärt) und Joseph Gordon Levitt legen eine (nicht ganz Fehlerfreie) Stepeinlage hin und Hugh Jackman und Charlize Theron tanzen in Old Hollywood-Manier.   

Als erste Kategorie kommt gleich Actor in a supporting role und die räumt tatsächlich Herr Waltz ab. Seine Dankesrede gebührt wieder einmal Quentin Tarantino (mit loser Krawatte) und zeigt, wieso wir Österreicher den Ruf haben, völlig kalt und emotionslos zu sein. Wenigstens hat er bewiesen, dass Österreicher nicht nur als sadistische Nazis Preise gewinnen können, sondern auch als sadistische Zahnärzte. Danke Christoph!  
Die Kategorie Animated Short Film präsentiert Melissa McCarthy in einem Sack. Die Moderation verstehe ich nicht, aber der Siegerfilm (Paperman) ist wahrlich süß! (http://www.youtube.com/watch?v=f3WVAR1McO4 )

Den Preis für Animated Feature gewinnt Brave, und den Preis holt sich ein Mann passend in Kilt ab. Wieder einmal stelle ich fest, dass es keine Gentlemen unter den Gewinnern gibt, denn immerzu gehen die Herren zuerst auf die Bühne, holen sich ihren Oscar, reden eine halbe Ewigkeit, und dann bleibt den Frauen nur mehr „Thank you“ zu sagen, denn schon ist die Zeit um. So auch hier. Was ich heuer besonders gelungen finde: sobald die Sprechzeit vorbei ist, ertönt die Melodie des weißen Haies.
Kurze Einblendung von John Travolta: dieser hat auch nur mehr einen Gesichtsausdruck.
Make up Design: Nominiert sind u.a. Peter Swords King (bitte sagt mir, dass das ein Künstlername ist!) für The Hobbit und Snowhite and the Huntsman. Und hierbei frage ich mich: wofür? Wenn sie es geschafft hätten Kristin in die Schönste im ganzen Land zu verwandeln, dann hätte ihnen definitiv ein Oscar gebührt, aber so… Gewinnen tut den Preis dann schlussendlich Les Misérables, und auch diese Entscheidung verstehe ich nicht. In  welcher Relation steht es singenden Darstellern Dreck ins Gesicht zu schmieren und Anthony Hopkins in Alfred Hitchcock zu verwandeln? Hin und wieder verstehe ich die Jury nicht.
Bestes Kostüm gewinnt verdient Anna Karenina. Die Kostümdesignerin scheint einen Knebelvertrag mit Kira Knightly zu haben, denn sie hat diese schon in Atonement und Pride and Prejudice mit Kostümen ausgestattet. Wahrscheinlich hat sie einen Spezialkurs in „Wie kleide ich Magersüchtige vorteilhaft ein“ belegt.

Dann wünsche ich mir zum zweiten Mal an diesem Abend nach Kristin Chenoweth ich wäre taub, denn Shirley Bassey singt Goldfinger. Ich habe Van Gogh noch nie so gut verstanden!

Als die Kategorie Beste Dokumentation kommt, frage ich mich, ob es denn auch lustige Dokumentationen gibt? Und nicht nur immer welche über Krebs, Behinderungen und dem Schwinden natürlicher Ressourcen?

Best foreign Language film gewinnt verdient Amour. Hanekes Ansprache hat den typischen Charme des Englisch mit österreichischem Akzent. Am Schluss baut er noch einen grammatikalischen Fehler ein, und doch ist diese Rede um so vieles sympathischer als jene von Christoph Waltz. Eine Randbemerkung: Ich verstehe diese Kategorie nicht: Sie heißt Foreign language Film, und doch war letztes Jahr ein Film in englischer Sprache nominiert. Und auch heuer: Kon-Tiki, der Film, der für Norwegen ins Rennen ging (wer Lust auf einen spannenden Film mit einigen heißen Norwegern auf einem Floß hat, sollte ihn sich unbedingt ansehen!), war auch auf Englisch. Und nach dem Produktionsland geht es auch nicht, das hätte letztes Jahr nicht funktioniert. Und überhaupt: Wie kann ein Film für Best Foreign Language Film UND als Bester Film nominiert sein?! Ist das nicht unfair?

Adele singt gelangweilt Skyfall. Kann ich verstehen, schließlich ist das Lied ja zum Einschlafen. Außerdem sieht sie dauernd zum Stage Manager hinüber. Dann präsentiert Ms Steward einen Preis. Wenigstes für die Oscars hätte sie sich frisieren können! Salma Hayek darf auch eine Statue vergeben und trägt die schlechte Version des Kleides von Michelle Dockery bei den Golden Globes.














Nach dem In Memoriam, wo ich übrigens Dallas Legende Larry Hagman vermisse – singt Barbara Streisand The way we were. Auch wenn sich ihr Stimmsatz dank Botox auch ein wenig verschoben hat, ist es noch immer um Welten besser als bei Shirly…

Den Preis für den besten Score vergeben Catherina Zeta Jones in einem tollen Kleid und Renee Zellweger, die aussieht wie ein Silberfischerl, deren Augen man vergeblich hinter den Botox-Wangen sucht.
Die Nacht wird schon lange, und man kann es Robert DeNiro nicht verdenken, dass er beim Preis an Jennifer Lawrence (wieso hat die bitte gewonnen?!) schon eingenickt ist. Russell Crows Subtext in einer Einblendung ist wohl: „Ich will einen Drink! Lasst mich jemanden verprügeln, und danach will ich einen Drink!“
Dann kommt mein Highlight des Abends: Den Preis für den besten Film vergibt Michelle Obama live aus dem Weißen Haus. Ich habe schon lange nicht mehr so etwas Peinliches gesehen! 1. Was bitte soll der Pony? Ihre Stirnfransen sehen aus, als hätte der Hund Boe was damit zu tun. Hat man den in letzter Zeit mal gesehen?!
2. Was sollen die Soldaten um sie herum? Diese stehen unmotiviert da (natürlich der Gruppen-Schwarze) und wissen nicht wo sie hinsehen sollen. Dieser peinliche Auftritt hat zur Folge, dass sich alle kollektiv darüber amüsieren, und ihr niemand zuhört. Der Preis geht dann an Argo und George Clooney nimmt als Sexiest Producer Alive die Statue entgegen. What else?
Alles in allem war es eine lange Oscar-Nacht, der ein paar Musiknummern weniger nicht geschadet hätten. Somit also bis zum nächsten Jahr – um es mit Quentin Tarantino zu sagen: Peace out!