Wien ist im Song Contest-Fieber: singende
Kanaldeckel, Pärchen-Ampeln und Conchita als U-Bahn Ansage. All das gibt es
laut Medien zur Zeit in der Hauptstadt. Ich schreibe „laut Medien“, weil ich
selbst noch keines dieser tollen Marketing-Aktionen gesehen habe.
Offensichtlich hat man sich für Hidden
Marketing entschieden und die Idee dahinter ist, dass man diese Goodies
erst suchen muss.
Im Vorhinein haben sich viele Menschen darüber
beschwert, dass der ESC Österreich nur unnötig viel Geld kostet. Ich stehe dem
Thema recht neutral gegenüber. Ich sehe meine GIS-Gebühren lieber in eine „Gesangs“-Farce
investiert, als in die Übertragung des 5. Luft- verpestenden Trainings vom F1
Grand Prix in Montreal (aber Hauptsache wir sind alle soooo öko…). Ich weiß, darüber
kann man diskutieren, und ich will gar nicht abstreiten, dass es durchaus
seinen Reiz hat Autos dabei zuzuschauen wie sie 100 Runden im Kreis fahren. Ich
gehe selbst gerne am Wochenende in den Prater und schaue dem Mecky-Express zu.
Als die Übertragung des ersten Semifinales aus
der Wiener Stadthalle beginnt, muss man sagen, dass unsere GIS-Gebühren gut
eingesetzt wurden, denn das Lichtdesign kann sich im wahrsten Sinne des Wortes
sehen lassen. Das Konzept mit den leuchtenden Kugeln, die sich in Wellen über
die Bühne bewegen, sieht beeindruckend aus.
Wie es die Tradition verlangt, beginnt das
Event mit dem Siegertitel des letzten Jahres Rise like a Phoenix, das wir im letzten Jahr recht oft hören
mussten, und diese Woche vermutlich noch öfter… Aber das Positive daran: Danach
wird das Lied vermutlich in der Versenkung verschwinden.
Miriam, Alice und Arabella – drei Damen in
unmöglichen Outfits moderieren das erste Semifinale. Wenigstens spricht Alice
gut Englisch – die anderen beiden sind dazu da das Klischée zu bestätigen, dass
das Englisch der Österreicher eher bescheiden ist (eines der schlimmsten
Beleidigungen, die ich je gehört habe, war als jemand zu mir gesagt hat: „You
sound like Arnold Schwarzenegger.“).
Und wo wir schon bei Klischées sind: Stripper
als Polizisten verkleidet. Das sind die Song Contest Starter für Moldawien, die
mit I want your love die Startnummer 1 des Abends haben. Ja, schon der
erste Beitrag hat das, was ein richtiges Song Contest Lied braucht: den
gewissen WTF-Effekt (für diejenigen, die in Abkürzungen nicht so firm sind:
What The Fuck). Hierbei handelt es sich um eine Boyband-artige Formation, die
in knapper Polizisten-Uniform (wieso habe ich noch nie solche Gesetzesvertreter
in live gesehen?) auf einem Gerüst herumturnen und „schön“ falsch singen.
Armenien, Face
the Shadow: Diese Gruppe sieht in ihren Umhängen aus wie eine Delegation
Elben aus Herr der Ringe – im
Hintergrund ist sogar ein weißer Baum (von Gondor!) projiziert. Hoffentlich
werden sie nicht von New Line Cinema
wegen Plagiats verklagt. Beim Lied kann ich beim besten Willen nicht sagen, ob
es so sein soll, oder ob sie falsch singen. Vermutlich zweiteres…
Belgien schickt seinen besten Mann: den
zweitplazierten von The Voice
Belgien.
Der Beitrag
Rythm Excite ist… schwer zu beschreiben. Vor allem hat er viel weißes Licht, weiße
Tänzer und Stroboskop Effekte – kurzum ein Fest für Epileptiker.
Die Niederlande, Walk Along: Die Sängerin trägt eine Maske auf schwarzer Spitze,
welche sie sich vom Gesicht reist und einen unvorteilhaften Jumpsuit, der an
eine Fledermaus erinnert, wenn sie die Flügel angelegt hat. Das Lied besteht hauptsächlich
aus den Worten „Whyjayjayjay“ – also super zum Mitsingen.
Finnland – die Band mit dem unaussprechlichen
Namen – Pertti Kurikan Nimipäivät - kurz PKN. Und genauso kurz ist das Lied –
nur 90 Sekunden lang. Finnischer Gröle-Rock. Weckt ein wenig Erinnerungen an Lordi. Weil es finnisch ist, weiß ich
leider nicht, worum es in dem Lied geht. Is aber egal, es rockt. Wie heißt es
so schön: In der Kürze liegt die Würze.
Gott sei Dank ist nun eine kurze Werbepause,
in der ich mir eine Stärkung genehmigen kann.
Gut, das Mirkowellen-Popcorn nur 3 Minuten
braucht.
Griechenland. Auch hier eine The Voice Teilnehmerin, dieses Mal die
Gewinnerin. One last breath heißt das
Lied – welch ironisch gewählter Titel. Offensichtlich pfeifen die Griechen
wirklich aus dem letzten Loch. Die erste Jammer-Ballade des Abends. Da bin ich
froh, dass ich nun Popcorn habe, das mich das ertragen lässt. Bei dem Beitrag
ist „Glitzer“ das Motto: Glitzer-Kleid, Glitzer-Staub und viele Sternchen auf
der LED-Wand.
Goodbye to Yesterday. Das Lied von Estland finde ich… eigentlich recht cool. Es hat was von
dem Minimalismus, das die Niederlande letztes Jahr hatten: Ein Mann und eine
Frau zueinander singend.
Mazedonien. Der Sänger hat angeblich immer ein
Foto von seiner Mama mit (sollte ihm vielleicht mal jemand sagen, dass das bei
Mädels ned so sexy ankommt). Er lebt eigentlich in Wien und war bei Starmania
dabei. Autumn Leaves heißt der
Beitrag und ist eine melodramatische Boyband-Ballade, die alles hat, was es
braucht, um diese Bezeichnung zu verdienen: peinliches Gehopse, das als
Background-Tanz durchgehen soll, schreckliche Outfits (weißer Mantel),
Projektionen, die aussehen als wären sie ein Bildschirmschoner und man sollte
ihm auch sagen, dass Schnauzer auch nicht so sexy rüberkommt bei Frauen.
Serbien, Beauty
never lies – die serbische Adele. Wenn man gemein ist, könnte man behaupten
sie wird weniger wegen ihrer Stimme, sondern mehr wegen ihres Körperbaus so
genannt. Ihr Chor besteht aus 2 Frauen und 2 Männer mit weißen Masken, welche
sie nach der ersten Strophe absetzen, sich die weißen Kutten vom Leib reißen
und plötzlich wird es eine Techno-Nummer. Ja, das gibt es nur beim Song
Contest.
Ungarn. Wars for nothing – Anti-Kriegssong. Die Sängerin steht im
Dunkeln in einem Bordeaux-roten Kleid. Das ist nun wahrlich Minimalismus nach
der letzten Nummer. Die Bühne verwandelt sich in Sternbilder und irgendwie kann
ich mich der Assoziation zu Die
Entdeckung der Unendlichkeit nicht erwehren. Spätestens bei der zweiten
Strophe hat sich das aber schlagartig wieder geändert, denn nun ist ein Baum
auf der LED Wand zu sehen – jetzt ist die Assoziation Rauch und ich hätte gerne einen Apfelsaft.
Weißrussland, Thunder: Bumm, Bumm-Ballade (ja, der Song Contest zwingt einen neue
Genre-Kreuzungen zu erfinden) gesungen von einem Mann, begleitet von einer
hübschen Geigerin in Weiß (scheint die ESC-Modefarbe zu sein). Andi Knolls
Kommentar zum Sänger: „Der sieht aus wie der Typ von 50 Shades of Grey.“
Russland, A
Million Voices: Das hat nun was von Celine Dion, bzw. sie scheint die
russische Helene Fischer zu sein. Auch ihr Kleid hat die Farbe… genau: Weiß. Man
könnte das Lied auch umtaufen auf A
Million Lights.
Kurze Pause. Popcorn auffüllen.
Und weiter geht’s.
Und weiter geht’s.
Dänemark hat einen Starter, deren Bandname mir
gefällt: Anti Social Media, The Way you are heißt die Nummer. Mein
erster Gedanke: Meine liebe Freundin Biscotto (Name von der Redaktion geändert)
wird die mögen, denn der Sänger ist rothaarig (ginger!). Gefälliges Lied, einer
Band, die aussieht, als wären sie 15 und machen auf Brit-Pop für Arme.
Albanien. I’m
alive: Sie hat die italienische Version von The Voice gewonnen. Ihr Song ist leider so nichtssagend, dass man
mehr zum Outfit sagen kann, als zum Lied. Sie trägt so etwas wie einen Jumpsuit
mit Cut Outs und einem angenähten Cape. Ja, es ist genauso schräg wie es sich
anhört. Ach ja, die aufgestickten Glitzer-Steinchen darf man nicht vergessen.
Rumänien, De
la capat: Eines der wenigen Beiträge, der nicht auf Englisch ist. Und auch,
wenn ich Englisch liebe, so finde ich es immer mutig und gut, wenn Länder mit
Liedern in der Landessprache antreten. Während des Songs laufen im Hintergrund
schwarz-weiß Projektionen von traurig dreinblickenden Kindern.
Georgien startet mit einem der zwei Lieder, das
Warrior heißt. Die Sängerin macht auf
Gothic-Krieger-Prinzessin. Schaut aus, als wäre sie World of Warcraft entstiegen und für ihr Kostüm mussten ein paar
arme Krähen Federn lassen.
Das war es mit den Beiträgen. Und nun eröffnen
die Ladies das Voting (und wieder frage ich mich, wer sich eingebildet hat, man
müsse Alice in ein Tischtuch wickeln – es ist NICHT vorteilhaft).
Meine Spannung steigt ins Unermessliche… Ich
denke, ich mache mich mal gemütlich bettfertig.
In der Zwischenzeit machen sich Miriams Hund
Schwarzenegger, Arabellas Lipizzaner und Alices Katze mit einer Kamera auf
durch Wien und zeigen uns die Stadt auf der Perspektive von Vierbeinern.
Wir bekommen auch noch die Videos der
Fixstarter zu stehen, und dabei springen mir vor allem jenes von Spanien und
Italien ins Auge:
Das Video für Spaniens Song Contest Teilnehmer
ist eine „gelungene“ Mischung auf Life of
Pi – Schiffbruch mit Tiger und (wieder einmal) Herr der Ringe - inkl. Ring mit leuchtender Inschrift.
Für Italien tritt Il Volo an, die in ihrem Video auf Ghost – Nachricht von Sam
machen.
(und für die Freaks unter uns: werft einen
Blick auf die Tapete des Tonstudios im Video der Starter für Australien. Kommt
euch die bekannt vor? Die klebt auch an den Wänden der berühmtesten Adresse
Londons…)
Und dann ist es endlich soweit (wir haben fast
so lange überzogen wie zu Gottschalks Wetten,
dass…? Zeiten). Die 10 Finalisten lauten:
Albanien – Frau mit Cut out und Cape
Armenien – Elben aus Mittelerde
Russland – Helene Fischer von Russland
Rumänien- Erinnerung an traurige Kinder
Ungarn – Anti-Kriegslied
Griechenland – Haben noch nicht ihren letzten
Atemzug getan
Estland – das
heurige Calm after the Storm
Georgien – Kriegerprinzessin
Serbien – Adele
Belgien – Alptraum für Epileptiker
Und nun werde ich noch ein paar Tränen
vergießen, weil die Boyband-Stripper-Polizisten nicht weitergekommen sind und
mich dann seelisch auf das zweite Semifinale am Donnerstag vorbereiten.
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