Dienstag, 23. Dezember 2014

Tatsächlich... Weihnachten


Was ich an Weihnachten besonders mag (abgesehen von meiner Weihnachts-Ohrringsammlung) ist, dass man schon beinahe dazu verpflichtet ist, Traditionen aufrecht zu erhalten. Und eine dieser Traditionen ist bei mir Geschenke einpacken und Love Actually (Tatsächlich… Liebe) zu schauen. So sitze ich in Mitten von Weihnachtspapier, die dritte Kerze brennt am Adventkranz und neben mir steht eine Tasse Tee mit Milch (immerhin bin ich ja dabei mir einen britischen Film anzusehen).

Wie viele von euch sicher wissen, handelt es sich bei Love Actually um einen Episoden – oder Ensemblefilm (welchen Terminus man auch immer bevorzugt), bei dem es mehrere Handlungsstränge gibt, die mehr oder weniger lose miteinander verwebt sind. Um die Sache daher für alle Lesenden (auch für jene, die den Film noch nicht gesehen haben – solche soll es geben) leichter zu machen, versuche ich deswegen meine Gedanken nach Handlungssträngen bzw. handelnden Figuren zu ordnen.

Der Lieblingsschwiegersohn vieler Mütter (obwohl ich das nach all den Eskapaden mit Prostituierten usw. nicht wirklich nachvollziehen kann, aber vermutlich liegt es daran, dass er einfach so unschuldig drein schaut) Hugh Grant macht den Anfang mit einem Voice-over, dass „love is actually all around“ ist. Und nach mehrmaligem Sehen, finde ich man sollte das streichen – zu pathetisch, aber es ist nun mal eine weihnachtliche RomCom, also muss ich es wohl oder übel in Kauf nehmen. Eines kann ich mit Sicherheit sagen, die Downing Street Nr 10 ist die glänzendste Haustür in ganz London in dem Film. Und wie ist die Darstellerin der Sekretärin damit klargekommen, dass man dauernd über sie sagt, sie hätte Oberschenkel wie ein Elefant?

Ich finde, man sollte sich den Film alleine schon wegen der Outfits von Bill Nighy anschauen – oder jenen seiner leicht bekleideten Backgroundtänzerinnen – im Abspann als „Billy’s Video Vixen“ gelistet (irgendwann kaufe ich mir auch so ein Santa-Baby-Outfit). Die sind so grauenhaft, dass sie schon wieder genial sind. Generell ist er in der Rolle des abgehalfterten Rockers sehr lustig, denn meiner Meinung nach, transportiert er die richtige Aussage des Filmes: „Don’t buy drugs. Become a pop star and they’ll give you them for free.“

Wunsch-Schwiegersohn Nummer zwei kann ich schon eher nachvollziehen: Colin Firth. Zu Beginn des Filmes fragen sich Millionen Frauen: „Wie kann man Mr Darcy betrügen?“ Sind wir froh, dass seine Freundin das tut, denn sonst würde er nicht seine hübsche portugiesische Haushälterin kennenlernen, für die er sogar in einen kalten Teich voller Aale springt. Männer, das ist wahr Hingabe! Merchandising-technisch hätte ich es toll gefunden, wenn es das Buch, das seine Figur schreibt, zu kaufen gäbe. Ich mag Colins Handlungsstrang vor allem deswegen so gerne, weil er so wunderbar vor Augen führt, dass Antoine de Saint-Exupéry recht hatte, als er schrieb: „Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse.“

Es gibt einen einzigen Handlungsstrang im Film, mit dem ich mich bis heute nicht anfreunden kann: Jener des Typens, der meint er müsse nach Amerika gehen, weil er dort mit seinem „cute British accent“ Mädeln aufreißen könnte. Und dann funktioniert es tatsächlich! Sollte mich aber eigentlich nicht verwundern, denn schließlich hat mir ein Engländer heuer in Kanada erklärt, dass er es dort lieben würde, weil er mit seinem Oxford-Englisch immer alles bekommen würde. Es hat vielleicht auch ein bisschen mitgespielt, dass er aussieht wie Wentworth Miller… Habe ich ihm nicht gesagt. Wollte sein Ego nicht noch zusätzlich pushen.

Mein Lieblingspaar sind die Porno-Stand-Ins namens John und Just Judy ;-) Egal wie oft ich noch The Hobbit oder Sherlock sehen werde, Martin Freeman wird für mich immer der schüchterne Nackte aus Love Actually sein, der immerzu klingt als wäre er verschnupft.  

Natürlich darf in einem englischen Film Keira Knightley nicht fehlen. Sie heiratet Chiwetel Eji… den Typ von 12 Years a Slave halt. Mein zukünftiger Mann aufgepasst: Solltest du auch in der Kirche in pinkem Hemd und Krawatte auf mich warten, habe ich keine Skrupel dich vor dem Altar stehen zu lassen. Generell fragt man sich bei Keira immer: „Wieso heiratet sie den Typen, wenn der beste Freund ihres Mannes nicht nur besser aussieht, sondern auch noch die süßesten Schilder von ganz London schreibt?“ (So lange, bis er bei The Walking Dead mitgespielt hat.) In der Szene, in der sie herausfindet, dass er in sie verliebt ist leide ich jedes Mal körperliche Schmerzen. Der Arme!

Liam Neeson hat in dem Film mit seinem 11-jährigen Stiefsohn zu kämpfen, der sich in ein Mädchen verliebt, das genau so heißt wie seine verstorbene Mutter. Finde ich auch… a bissi komisch. Der kleine Junge wäre für mich ja Typecasting für einen Weihnachtself. Ins Fantasy-Genre hat er es schon geschafft: Er spielt bei A Game of Thrones mit. Leider nicht als Elf…

Dass Laura Linneys Figur ihren Bruder dem (beinahe schon nackten) Rodrigo Santoro vorzieht kann ich noch immer nicht glauben. Auch wenn ich beschämt zugeben muss, dass ich durchaus Parallelen in unseren Charakterzügen sehe. Ich bin 2014 auch einmal kurz um die Ecke gebogen und habe einen Freudentanz aufgeführt, ehe ich ganz cool und gelassen wieder zurückgekommen bin.

Alan „the voice“ Rickman muss man normalerweise lieben – aber in dem Film möchte ich ihm eine rein hauen. Wieso will man Emma Thompson gegen Heike Makatsch tauschen? Außerdem bringt mich Emma Thompsons Szene noch immer jedes Mal beinahe zum Weinen, wenn sie in ihrem Schlafzimmer Joni Mitchell hört.  

Wahllose Gedanken zum Schluss:

Pinke Krawatten scheinen dem Kostümdesigner zu gefallen, denn auch der US-Präsident (Billy Bob Thornton) trägt so eine.

Auffallend viele Frauen tragen Röcke.

Wieso hat Colin Firth ein halbes Dutzend Knoblauchkränze in seinem Kofferraum als Weihnachtsgeschenke? Bereitet sich seine Familie auf einen Überfall von Vampiren zu Neujahr vor?

Offenkundig sind alle Menschen in dem Film reich, denn ihre Wohnungen sind (für London-Verhältnisse) gigantisch.

Wieso lässt Colin Firth seine Haushälterin einfach am Straßenrand aussteigen? Das würde Mr Darcy nicht tun!

Da die pinken Krawatten so teuer waren, konnte man sich keine ganzen Oberteile mehr für Keira leisten. Die rennt nämlich meistens bauchfrei herum. Aber in London ist es nicht kalt im Dezember…

Denkt irgendwer daran, dass der arme Chauffeur am Weihnachtsabend sicher besseres zu tun hätte, als Hugh Grant herumzukutschieren?

Der Film hat das beste Krippenspiel aller Zeiten: Ich liebe die Kostüme der Hummer, Pinguine und vor allem des Wals an der Krippe.

Am Ende solcher Filme laufen immer alle irgendwem irgendwohin nach.

Es scheint niemanden zu stören, dass das Mädchen den ganzen Weg vom Gate zum kleine Elfen zurückrennt. „You are delaying the flight!“

Ist euch schon einmal aufgefallen, dass man beim Blick von der Southbank immer das halbfertige Gherkin sieht?

Wer Zeit und Muße hat – es zahlt sich aus die Deleted Scenes auf der DVD anzuschauen. Es gibt viele davon, aber viele lustige!

Wenn man so näher darüber nachdenkt, ist der Film gar nicht so aufbauend… Vielleicht ist die Aussage des Films doch:
„I thought it’d be something worse.“
„Worse than the total agony of being in love?“
„Err… No, you’re right. Total agony.“

Aber ich möchte niemandem am 24. mit meinem Zynismus Weihnachten verderben. Daher empfehle ich folgende Düfte von Demeter’s Fragrance Libary im Raum zu versprühen: Christmas Bouquet, Christmas in NY oder Christmas Tree, Mistletoe, Gingerbread, Egg Nog und Ultimate Chirstmas Stocking Suffer Memories, etwas Hübsches anzuziehen, ein beschwingtes Weihnachtslied aufzulegen und wie Prime Minister Hugh Grant durch das Haus zu tanzen.

Fröhliche Weihnachten!   

„Let me say […] because it’s Christmas (and at Christmas you tell the truth):“ Danke für euer Lob, euren Zuspruch, eure Kritik und Vorschläge zum Adventkalender 2014. Ganz besonderen Dank an Tom Poe, der mich mit seinen bildlichen Kommentaren jeden Tag zum Lachen gebracht hat und AM, die mein geheimer Beta war. „I was in some ways very close to being moved by.“

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