Dienstag, 18. Dezember 2012

Das schlagkräftigste Buch 2012


Letztens bei der Heimfahrt im Zug von Wien nach Bruck/Mur: Zwei Frauen sitzen auf einem 4er Platz mit mir. Eine neben und eine gegenüber von mir, und beide lesen sie dasselbe Buch: Shades of Grey. Normalerweise bin ich der Meinung, mal sollte sich mit etwas auseinandersetzen, bevor man darüber schimpft. In diesem Fall sehe ich mich gezwungen meine Grundsätze hinten anzustellen, denn ich hatte weder Zeit noch Lust vor Armageddon mich durch 3 dicke Wälzer zu quälen, die mich nicht im Geringsten interessieren. Aus Prinzip nicht!

Zu Beginn war ich doch verwirrt: da gibt es den einen Turm in jedem Buch Geschäft mit Shades of Grey und einen mit 50 Shades of Grey – was hat es damit auf sich? Handelt es sich dabei um dasselbe in Grau? Wie ich dann festgestellt habe, handelt es sich beim einen um den Original-Titel und dem anderen um die deutsche Übersetzung. Welcher Hirni im Verlag hat sich das wieder ausgedacht? 50 und 50: In englischsprachigen Ländern verwendet man dasselbe Nummernsystem wie bei uns! Shades ist das Wort, das man übersetzen sollte! Zugegeben, der Wortwitz mit dem Titel ist ganz lustig (der Protagonist heißt mit Nachnamen Grey), aber der Name der weiblichen Hauptdarstellerin: Anastasia Steel?! Figuren in Softpornos haben bessere Namen – habe ich mir sagen lassen.

Das Buch ist bekanntermaßen aus einer Twilight Fanfiktion entstanden. Wie hätte es wohl ausgesehen, wenn ein Fanfiction eine Bromance zwischen Edward und Jacob als Buch erschienen wäre? Wie wäre der Titel gewesen: 50 Shades of Gay?

Diese drei Werke zerstören Disneys illusorische Vorstellung von romantischer Liebe auf einer ganz anderen Ebene. Dennoch bleibt der Disney-Gedanke latent erhalten: Anastasia glaubt daran, ihren Sadomasochisten doch noch in einen Romantiker zu verwandeln. Mindestens genauso realitätsfremd, wie Cinderella.

Das Buch hat einen neuen Begriff geprägt: Mommy Porn. (Wieso ist das nicht in der Liste des Wort-des-Jahres 2012?) Ich verstehe nicht, wieso alle so tun, als wäre SoG so innovativ? Diese Art von „Literatur“ gibt es seit Anbeginn und kann man zumeist in den Regalen an der SPAR und BILLA Kassa finden. Und vor allem in den diversen Fanfiction Archiven kann man sich vor erotischen Ergüssen (No pun intended!) kaum erretten.

In all dem Hype ist es schön, dass ich nicht alleine mit meiner Meinung stehe: Presse am Sonntag, 16.12. listet das sadomaso-Buch unter dem Schrott des Jahres 2012 gelistet.

Dies ist also unser literarisches Vermächtnis an die Nachwelt: Dieses Buch wird den Wesen nach uns die IKEA-These, dass wir nur Bilder und Zahlen lesen können, nicht widerlegen, denn Literatur ist etwas anderes. Herr Gutenberg, es tut uns Leid, dass wir Ihre Erfindung so schändlich missbrauchen.

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