Da ich überhaupt nicht hipp oder up to date bin, bin
ich immer eine der Letzten, die Trends oder neue Wortkreationen mitbekommt. Die
Tatsache, dass ich aktiv weder auf Twitter, Tumblr, Instagramm, Snapchat oder
wie diese sozialen Netzwerke (die in Wirklichkeit der Gipfel des Antisozialen
sind) heißen, an angeregte Diskussionen über die Zahnpastasorte eines Schauspielers
(das ist leider nicht erfunden, diese Unterhaltung gab es tatsächlich) teilnehme,
stelle ich später als der Rest unserer Gesellschaft fest, dass etwas, das ich
seit Jahren mache, plötzlich einen englischen Namen hat und cool ist. Heuer
waren die Worte Selfie und Photobomb in aller Munde (Es wurde sogar zum
Jugendwort des Jahres gewählt. Gratulation!). Ob beim Staatsbegräbnis von
Nelson Mandela oder bei der Oscar Verleihung
(übrigens das am häufigsten retweetete – ja, das ist ein anerkanntes Wort –
Foto aller Zeiten)… Von Obama bis Frau Huber, sie haben es alle gemacht. Mit
dem Selfie hätten wir eine neue Stufe der Selbstdarstellung erreicht, von der
ich nicht sicher bin, ob Darwin sie als Fort – oder Rückschritt werten würde. Daher
lasst uns Herrn Darwin seine Entscheidung erleichtern und einen genaueren Blick
auf dieses Entwicklungsstadium werfen. Die Spezies des Selfie lässt sich in
mehrere Untergruppen unterteilen:
Poser Selfies: Der Klassiker, auf dem sich jemand
selbst in seiner vollen „Schönheit“ darstellt.
Food Selfies: Mache andere mit deinem Essen
eifersüchtig.
Bed Selfies: meistens mit #iwokeuplikethis
verbunden; Sebstportrait von sich zwischen den Laken
Hot Dog Selfies: Darauf sieht man nur einen Teil der
Oberschenkeln und dahinter das Meer – der Name bezieht sich auf die rotbraunen
Schenkel.
Coming-out Selfies: Das Bild ist die Nachricht: Ich
habe einen neuen Partner, eine neue Frisur, etc.
Meet and Greet Selfies: Fotos mit (mehr oder
weniger) berühmten Personen
Sexting: ein erotisches Foto von sich selbst, das
man seinem Partner (oder auch nicht) schickt; offensichtlich hat man durch die
Nacktfotos und Videos die immer wieder ungewollt im Netz landen nichts gelernt.
Der Homo Sapiens Sapiens hat sich seiner Fertigkeit
Werkzeug zu bauen zu Nutze gemacht, um Herr der Selbstfotografie zu werden. Ein
Stab – genannt Selfie-Stick – erleichtert das schießen von Bildern von sich und
seinen Artgenossen.
Einen besonders wertvollen Beitrag zur Arterhaltung
der Selfies hat der New Yorker Künstler Ted Lawson geliefert. Er hat eine
Verbindung von seiner Armvene zu einer CNC-Maschine hergestellt, und von dieser
ein Blut-Selfie anfertigen lassen. Anhänger der Cyborg-Science Fiction und der Ghost in the machine Theorie (das Abbild
trägt auch diesen Titel) erlebten dadurch feuchte Träume.
Dass ein Selfie nicht immer eine schlaue Idee ist,
hat ein Verbrecherpaar bewiesen, welches nach einem Mord ein Foto von sich
selbst im Auto ihres Opfers ins Netz gestellt hat und daraufhin festgenommen worden
ist.
Eine eindeutige Anwärterin auf den Darwin-Award ist
eine 23-jähige Studentin, welche beim Versuch ein Foto von sich selbst auf dem
Geländer einer Brücke in Spanien zu schießen zu Tode gestürzt ist.
Ich denke, Herr Darwin wird mir zustimmen, dass die
beiden letzten angeführten Vorfälle ein Beweis dafür, dass es sich bei Selfie
und Photobomb definitiv um einen Rückschritt in der Evolution handelt.
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