Dienstag, 9. Dezember 2014

Selfie - Selbst ist der Fotograf


Da ich überhaupt nicht hipp oder up to date bin, bin ich immer eine der Letzten, die Trends oder neue Wortkreationen mitbekommt. Die Tatsache, dass ich aktiv weder auf Twitter, Tumblr, Instagramm, Snapchat oder wie diese sozialen Netzwerke (die in Wirklichkeit der Gipfel des Antisozialen sind) heißen, an angeregte Diskussionen über die Zahnpastasorte eines Schauspielers (das ist leider nicht erfunden, diese Unterhaltung gab es tatsächlich) teilnehme, stelle ich später als der Rest unserer Gesellschaft fest, dass etwas, das ich seit Jahren mache, plötzlich einen englischen Namen hat und cool ist. Heuer waren die Worte Selfie und Photobomb in aller Munde (Es wurde sogar zum Jugendwort des Jahres gewählt. Gratulation!). Ob beim Staatsbegräbnis von Nelson Mandela oder bei der Oscar Verleihung (übrigens das am häufigsten retweetete – ja, das ist ein anerkanntes Wort – Foto aller Zeiten)… Von Obama bis Frau Huber, sie haben es alle gemacht. Mit dem Selfie hätten wir eine neue Stufe der Selbstdarstellung erreicht, von der ich nicht sicher bin, ob Darwin sie als Fort – oder Rückschritt werten würde. Daher lasst uns Herrn Darwin seine Entscheidung erleichtern und einen genaueren Blick auf dieses Entwicklungsstadium werfen. Die Spezies des Selfie lässt sich in mehrere Untergruppen unterteilen:

Poser Selfies: Der Klassiker, auf dem sich jemand selbst in seiner vollen „Schönheit“ darstellt.

Food Selfies: Mache andere mit deinem Essen eifersüchtig.

Bed Selfies: meistens mit #iwokeuplikethis verbunden; Sebstportrait von sich zwischen den Laken

Hot Dog Selfies: Darauf sieht man nur einen Teil der Oberschenkeln und dahinter das Meer – der Name bezieht sich auf die rotbraunen Schenkel.

Coming-out Selfies: Das Bild ist die Nachricht: Ich habe einen neuen Partner, eine neue Frisur, etc.

Meet and Greet Selfies: Fotos mit (mehr oder weniger) berühmten Personen

Sexting: ein erotisches Foto von sich selbst, das man seinem Partner (oder auch nicht) schickt; offensichtlich hat man durch die Nacktfotos und Videos die immer wieder ungewollt im Netz landen nichts gelernt.

 

Der Homo Sapiens Sapiens hat sich seiner Fertigkeit Werkzeug zu bauen zu Nutze gemacht, um Herr der Selbstfotografie zu werden. Ein Stab – genannt Selfie-Stick – erleichtert das schießen von Bildern von sich und seinen Artgenossen.

Einen besonders wertvollen Beitrag zur Arterhaltung der Selfies hat der New Yorker Künstler Ted Lawson geliefert. Er hat eine Verbindung von seiner Armvene zu einer CNC-Maschine hergestellt, und von dieser ein Blut-Selfie anfertigen lassen. Anhänger der Cyborg-Science Fiction und der Ghost in the machine Theorie (das Abbild trägt auch diesen Titel) erlebten dadurch feuchte Träume.

Dass ein Selfie nicht immer eine schlaue Idee ist, hat ein Verbrecherpaar bewiesen, welches nach einem Mord ein Foto von sich selbst im Auto ihres Opfers ins Netz gestellt hat und daraufhin festgenommen worden ist.

Eine eindeutige Anwärterin auf den Darwin-Award ist eine 23-jähige Studentin, welche beim Versuch ein Foto von sich selbst auf dem Geländer einer Brücke in Spanien zu schießen zu Tode gestürzt ist.

Ich denke, Herr Darwin wird mir zustimmen, dass die beiden letzten angeführten Vorfälle ein Beweis dafür, dass es sich bei Selfie und Photobomb definitiv um einen Rückschritt in der Evolution handelt.

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