Sonntag, 21. Dezember 2014

Sherrinford aus Vorarlberg


Im Zuge von Gesprächen über die Themenfindung für den diesjährigen Advent-Blog, haben ein paar Leute einen Beitrag zu BBCs Sherlock Staffel 3 vorgeschlagen. Da ich mich der Diskussion darüber, ob Sherlock betrunken lustig, genial oder out of character war nicht anschließen will (geschweige denn, dass alle U-Bahn Linien in The empty Hearse durcheinander sind, und ob Moriarty noch lebt – zumindest im nächsten James Bond schon, denn dort wird Andrew Scott mitspielen), werde ich dem Wunsch einiger nicht nachkommen. Tut mir leid. Nach reiflicher Überlegung bin ich allerdings zu dem Schluss gekommen, dass ich den englischen Detektiv nicht ganz ausblenden kann. Schließlich haben Mr Holmes und sein treuer Begleiter Dr Watson einen Großteil meiner freien Zeit 2014 in Anspruch genommen. Und weil es mehr skurrile und interessanten Fakten über the world’s only consulting detective gibt als man vermuten mag, dachte ich mir, ein Sherlock Holmes Trivia wäre eine gute Idee. Ich hoffe, euch damit Wissen zu vermitteln, mit dem ihr in English Literature 302 (liebe Grüße an Prof. Mengel) oder beim Weihnachtsessen brillieren könnt. Also bereitet euren Schuss Kokain vor, stopfe die Pfeife, klebt die Nikotinpflaster auf und los geht’s:

Beginnen wir mit einer Tatsache, die den meisten vermutlich bekannt ist: Sherlock Holmes sei die meist verfilmte fiktive menschliche Figur der Welt – 226 Filme gibt es. Ich schreibe daher „menschlich“, denn zählt man Vampire hinzu geht der Preis der meistverfilmten fiktiven Figur an Dracula – mit 239. Das muss man den Engländern lassen, darauf können sie sich was einbilden. Wir haben… Soko Kitzbühle… ok, vielleicht ist der Brenner ein besserer Vergleich… Ich würde ja gerne die Version Sherlock Homie sehen, von der ein Plakat bei 30 Rock in Tracys Garderobe hängt.

Die Drehbuchschreiber von Sherlock erzählten mal, dass ihr Ziel als Jugendliche gewesen ist, alle Sherlock Holmes Geschichten zu lesen und sie sich gewundert haben, wieso die Mädels daraufhin nicht Schlange gestanden sind. Ich kann nur bestätigen, dass es umgekehrt auch nicht funktioniert. Ich habe alle 56 Kurzgeschichten und 4 Bücher gelesen und bin nach wie vor Single. Komisch… ;-)

Ironie über Ironie: Der Mann, der den berühmten Schnüffler erfunden hat und der das Bild des viktorianischen Londons wie kaum ein anderer geprägt hat, war Schotte und hatte London kaum besucht als er mit den Geschichten des Detektivs begann.

Sir Arthur Conan Doyle ist eigentlich ein Künstlername. Sein richtiger Name war Arthur Ignatius Conan Doyle. Er selbst hat aber damit begonnen seinen Mittelnamen (der eigentlich ein Vorname ist) als Nachname zu verwenden und damit seine Biographen dazu gebracht es ihm gleich zu tun.

Wer könnte das glauben? Das kleine, verschlafene Örtchen Feldkirch in Vorarlberg spielte in Sir Arthurs Leben eine wichtige Rolle. Er ging u.a. dort zur Schule, schrieb für die Schülerzeitung und entdeckte dort die Werke von Edgar Allan Poe, dessen Detektiv C. Auguste Dupin mit seinen Methoden ein Vorbild für Sherlock Holmes werden sollte.

Wer sich (wie ich) schon immer gedacht hat, dass Sherlock ein komischer Name ist, der sollte froh sein, dass Sir Arthur nicht seinem ersten Einfall nachgegeben hat. Ursprünglich sollte der Detektiv nämlich Sherrinford heißen. In Sherlock Holmes: Die Biografie des großen Detektivs aus der Baker Street ist Sherrinford der älteste Bruder der Holmes (darauf könnte es auch in der Serie Sherlock hinauslaufen, in der ein „anderer“ Bruder erwähnt wird). Im Kanon hat Sherlock einen 7 Jahr älteren Bruder, der einen nicht weniger bizarren Namen trägt: Mycroft. Obwohl Mycroft eine der bekanntesten Figuren ist und von zahlreichen berühmten Schauspielern dargestellt wurde (u.a. Stephen Fry und Christopher Lee), so taucht er nur in 2 Sherlock Holmes Geschichten auf und wird in nur 2 anderen erwähnt.

Es gab nie eine Hausnummer 221 Baker Street in den Zeiten von Holmes. Angeblich ist die berühmteste Adresse Londons 221B Baker Street (Meiner Meinung nach ist es Downing Street 10, aber bitte…). Leser der Sherlock Holmes Geschichten schickten tatsächlich Briefe an diese Andresse, um den Detektiv um Hilfe zu bitten. Dumm nur, dass die Postboten nicht wussten wohin damit, denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Baker Street gerade mal so lange, dass die Hausnummern nur bis 85 gingen. Der Buchstabe B ergibt sich daraus, dass sich die Wohnung im ersten Stock befindet. Die Wohnung im Erdgeschoß wäre 221A und jene im ersten Stock eben 221B. Heute hat das Sherlock Holmes Museum die Adresse 221B, obwohl die eigentliche Adresse Baker Street 239 ist. Verwirrt? Der arme Pizzabote sicher auch…

Die Sache mit dem berühmten Deerstalker Hut… Der eigenartige Hut (lasst uns ehrlich sein: NIEMAND schaut mit dem Ding gut aus) hat sich durch die Illustrationen von Sidney Paget im Strand Magazine, in dem die Kurzgeschichten erschienen, eingebrannt. In den Geschichten selbst trägt Sherlock Holms zwar einen Hut, wenn er einen Fall außerhalb von London löst, aber dass es sich dabei um einen Deerstalker handelt wird nie explizit erwähnt.

Sir Arthur und die Namen… ACD hatte nicht nur eine Vorliebe für eigenartige Vornamen, sondern auch eine Tendenz diese zu vergessen. So wird John Watson in The man with the twisted lip von seiner Frau immerzu “James” genannt. Auch die Haushälterin Mrs Hudson (deren Vorname wir im Kanon nie erfahren) heißt zwischendurch mal Mrs Turner. John Watsons Mittelname beginnt mit H. Wir erfahren aber nie wie er lautet.  

Generell hatte es ACD nicht so mit Kontinuität. Im ersten Buch – welches übrigens zu Beginn ein Flop war und von den meisten Verlagen abgelehnt wurde – leidet Dr Watson an einer Kriegsverletzung am Bein, danach plötzlich am Arm und in späteren Büchern generell nur mehr „an einer der Gliedmaßen.“ Auch Dr Watsons Frau Mary Morstan taucht auf, wird geheiratet und verstirbt irgendwie dazwischen spurlos. Der Leser erfährt es aus einem Nebensatz. Einen allzu großen Vorwurf kann man ACD aber auch nicht machen, schließlich hat er das erste Buch mit 27 und das letzte mit über 70 geschrieben. In diesem Zeitraum würde ich auch einiges vergessen.

 Sherlock und die Drogen: Ja, Sherlock Holmes hat nicht nur Pfeife geraucht, er hat sich auch dem Kokain hingegeben. Man muss allerdings sagen, dass dies zu damaligen Zeiten üblich und Mode war. Einer der dutzenden Darsteller, die Sherlock Holmes im Laufe der Zeit zum Leben erweckt haben, war William Gillette („Für das Beste im Mann“), der das mit dem Method-Acting ein wenig zu ernst nahm, als er sich 1900 live auf der Bühne Kokain injizierte. Das war eben noch wahre Hingabe!

Wo wir schon beim Herrn Rasierer Gillette sind: Dieser verwendete im Bühnenstück Sherlock Holmes: A drama in four acts das erste Mal die Phrase „Oh this is elementary, my dear fellow“, welche später im ersten Sherlock Holmes-Tonfilm 1929 in „Oh, this is elementary, my dear Watson“ umgewandelt wurde und seither als der berühmteste Ausspruch des Detektivs gilt (die Serie Elementary ist danach benannt). In den Büchern verwendet Sherlock Holmes diese Phrase nie. Am nächsten kommt der Dialog in The crooked man:
Watson: „Excellent!“
Sherlock (trocken): „Elementary.“

Die einzige Frau im Kanon, für die sich Sherlock Holmes irgendwie interessiert, ist Irene Adler. Daher kommt sie in den meisten Verfilmungen (z.B. Sherlock Holmes mit Robert Downey Jr) immer als dessen Love Interest daher. Im Kanon ist Ms Adler allerdings überhaupt nicht an Holmes interessiert, denn ihre kriminellen Machenschaften dienen einzig dem Zweck den Mann, den sie liebt, heiraten zu können. Jene Verfilmung von A scandal in Bohemia mit Jeremy Brett in der Hauptrolle ist die einzige, die sich in dieser Hinsicht an die Buchvorlage hält.

Sherlock Holmes macht eigentlich keine Deduktionen, sondern Abduktionen. Der Unterschied ist, dass bei Letzterem die Schlussfolgerung, zu welcher man durch Beobachtung kommt, nicht zwingend immer richtig sein muss. Wohingegen bei der Deduktion die Rückschlüsse basierend auf den erhaltenen Daten (meist durch logische Ableitung von Aussagen) immer korrekt sein müssen. Aber da Sherlock Holmes prinzipiell immer recht hat, handelt es sich vielleicht doch um Deduktion. Und seinem Ego entspricht es auch dies so zu bezeichnen.

Sir Arthurs Verdienste gehen aber weiter als die Erfindung des berühmten Detektives (den er zwischendurch tötete und wiederauferstehen ließ – der Vorläufer der Duschszene von Dallas sozusagen), denn er hat das englische Wort „grimpen“ erfunden ( „Moor“ aus The hound of the Baskervilles) und schrieb den Science Fiction Roman The lost world, welcher Michael Crichtons Jurrasic Park inspirierte.

Wer Zeit, Geld und Lust auf mehr Fakten rund um den Detektiv aus der Baker Street hat, der kann dessen Heimatstadt einen Besuch abstatten, denn im Museum of London gibt es zur Zeit die bisher größte Sherlock Holmes-Ausstellung.
Quellen: Das, was von monatelanger Recherche hängen geblieben ist.

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